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Wir wünschen ein schönes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr.

 

 

Der kleine Engel

Es war einmal ein kleiner Engel, der war im ganzen
Himmelreich bekannt und beliebt. Es gab praktisch keine Wolke, auf der man nicht
von ihm wusste. Der kleine Engel war fast immer vergnügt und versprühte überall
seine gute Laune. Andere Engel, denen es gerade einmal nicht gut ging, brachte
der kleine Engel schnell auf andere Gedanken. Wenn er besonders gut gelaunt war,
konnte der kleine Engel ein richtiger Komiker sein, der nur Blödsinn im Kopf
hatte. Und ehrlich gesagt, das war ziemlich oft der Fall. Seine umwerfende
Fröhlichkeit und Lebenslust waren einfach nicht zu bremsen.

Daneben war
der kleine Engel auch ein rechter Tollpatsch. An manchen Tagen schien es fast
so, als hätte er zwei linke Hände und an beiden zwei linke Daumen. Aber das nahm
dem kleinen Engel niemand krumm. Im Gegenteil: Der kleine Engel versprühte so
viel Charme und Herzlichkeit, dass er mit seinen schelmischen Augen jeden sofort
verzaubern konnte.

Das alles machte den kleinen Engel ziemlich
einzigartig. Und so sahen es ihm die anderen Engel auch nach, dass er bei
anderen – in der Engelszunft „viel wichtigeren“ Geschäften – nicht der
Schnellste war.

Aber daran hatten sich alle mit der Zeit gewöhnt. Es war
einfach schon immer so gewesen. Nie hatte es der kleine Engel mit irgendetwas
wirklich eilig gehabt. Als andere Engel schon die ersten Flugversuche machten,
lag der kleine Engel immer noch auf dem Bauch. Er lernte erst eine ganze Weile
später fliegen – aber er lernte es. Und so machte es der kleine Engel mit den
meisten Sachen. Und manche Dinge, die ihm entweder zu schwierig oder auch
einfach zu langweilig waren, die ließ der kleine Engel halt
bleiben.

Eines Tages wurde der kleine Engel zum lieben Gott gerufen, also
zum Chef höchstpersönlich. Da bekam es der kleine Engel mit der Angst zu tun.
Was könnte der liebe Gott von ihm wollen? Er musste wohl Wind von einem seiner
Streiche bekommen haben.

Vielleicht hatte sich der Trompetenengel
beschwert, weil der kleine Engel ihm seine Flügel rot angemalt hatte, als er
schlief. Aber rot sahen die nun mal viel besser aus. Und zur Trompete passten
sie so auch am besten. Der kleine Engel konnte ja nicht wissen, dass dem
Trompetenengel rot nicht recht gefiel. Und auch nicht, dass ihn die
Flügelreinigung Stunden kostete. Der kleine Engel hatte es ja nur gut gemeint.
War es diese Sache?

Oder die Sache mit der blonden Locke, die er einem
hübschen Oberengel abgeschnitten hatte? Oder das mit der Harfe, die er sich
einmal unerlaubt ein bisschen ausgeliehen hatte und neu stimmen wollte. Oh je,
dem kleinen Engel fielen plötzlich ziemlich viele Sachen ein, die ihm den Termin
beim großen Boss eingebrockt haben könnten. Aber es half ja alles nichts. Und so
machte sich der kleine Engel – ausnahmsweise noch ein wenig kleiner – auf zum
lieben Gott.

Der liebe Gott war gerade in einem Meeting und zwar mit dem
Weihnachtsmann und dem Christkind. Alle drei machten ein ernstes, ratloses
Gesicht und waren schwer am Grübeln. Das Christkind seufzte: „Es wird immer
schwieriger, die Erdenkinder mit einem schönen Geschenk glücklich zu
machen.“

„Richtig!“ pflichtete der Weihnachtsmann bei, „die haben doch
längst alles. Ganz egal was ich bringe, ein paar Minuten und aller Zauber ist
verflogen. Und immer öfter gefallen ihnen meine Geschenke gar nicht mehr. Die
werden immer unzufriedener.“

„Ach ihr Lieben, das weiß ich doch auch“,
erwiderte der liebe Gott, „ich beobachte das schon eine ganze Weile. Mit dem
Herzen sieht heute kaum noch einer. Dafür wird um so mehr auf Äußerlichkeiten
geachtet – und auf das ein oder andere Statussymbol: das schnellste Auto, das
größte Haus, der tollste Urlaub, das meiste Geld. Das Zweitbeste ist meistens
schon nicht mehr gut genug“, sinnierte er.

„Genau so ist es“, meinte das
Christkind. „Aber das ist noch nicht mal alles.“ Die fragenden Blicke des lieben
Gott und vom Weihnachtsmann bemerkend erläuterte das Christkind das ganze
Dilemma. „Das Schlimmste ist, dass die Erdenkinder genauso überzogene Ansprüche
an sich selbst und an Ihre Liebsten stellen. Auch da muss alles wie aus dem
Bilderbuch sein. Und wenn nur ein kleines Mosaiksteinchen fehlt, dann ist das
Geschrei groß.“

„Ach ja“, sagte der liebe Gott, „mit meinen Erdenkindern
ist das wirklich nicht einfach. Ich kann Euch da verstehen. Aber sie haben sich
halt einfach allesamt zu sehr selbst unter Druck gesetzt. Und jetzt fangen sie
leider an, an diesem Druck zu zerbrechen. Nach außen hin geht es ihnen blendend,
alles ist bestens. Aber tief im Innern sind viele einfach nur unglücklich und
haben Angst.“

„Aber können die Menschen denn nicht lernen, dass es
unendlich mehr im Leben gibt als Intelligenz, Schönheit und Perfektion und dass
nicht alles in Geld gemessen werden kann?“, fragte das Christkind. „Sie müssen
wieder lernen, mit dem Herzen zu sehen.“

„Du hast ja Recht“, sagte der
liebe Gott, „aber was soll ich machen? Ich habe schon einige Botschaften nach
unten geschickt. Aber haften ist nicht viel geblieben.“

Erst jetzt nahmen
sie den kleinen Engel wahr, der ganz verstohlen neben der Türe stand. Sofort
erstrahlten ihre Gesichter und der liebe Gott streckte seine Arme nach ihm aus:
„Komm her, du kleiner Engel, ich glaube, wir haben da eine kleine Mission für
dich.“ Stolz wie Oskar strahlte der Engel übers ganze Gesicht: „Für mich?“ Dann
fügte er aber gleich in einem etwas nachdenklicherem Ton hinzu: „Aber ich bin
doch immer der Langsamste? Sogar auf die Engelsschule durfte ich lange nicht.
Ich kann nicht viel, sagt man.“

„Du bist dafür genau der Richtige“,
erklärte der liebe Gott. „Mit deinem Lächeln und deinem unwiderstehlichen Charme
wirst du eine Helligkeit und eine Wärme in die Herzen der Menschen zaubern, wie
es sonst nur die Sonne kann.“

„Wenn ihr meint“, sagte der kleine Engel.
Ein wenig mulmig war ihm schon zumute. Was ihn wohl alles erwarten würde. Aber
gut, warum auch nicht. Er streckte die Flügel aus, sah sich nochmals kurz um und
flog los.

„Ach übrigens“, der kleine Engel hörte den lieben Gott kaum
noch, so schnell war er unterwegs, „bleib’ bitte maximal ein Leben – du wirst
auch hier oben gebraucht“ rief ihm der liebe Gott nach. „Geht klar!“ rief der
kleine Engel zurück. Wenn ich nur mehr von der Sorte hätte, dachte der liebe
Gott. Und lächelte.

Quelle: http://www.46plus.de/aktuell/ko_04-12.htm

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